Logbook 4

Brazil

geschrieben von Cornelia.

 

 

 

17. märz

 

 

es schüttet aus vollen schaffeln! ... wir wollten heute ausklarieren und morgen abreisen... aber durch eine schlechtwetterfront und starkem schwell bekommen einige boote hier schwierigkeiten... auch die Outremer und Harald hilft tatkräftig bei dem einen und anderen mit. mittags werden wir zum essen eingeladen und sitzen mit zwei französischen paaren in lustigem beieinander und hören geschichten... die abfahrt ist verschoben ;-)

16. märz

 

waschtag! während ich wäsche wasche, möchte Harald zum hafenmeister einklarieren. mit langer hose und hemd (denn zum hafenmeister muss man hierzulande „gut angezogen“ kommen!) steigt er ins dinghy, das bei starkem schwell zwischen unserem cat und den schwimmbotons hin und her gezogen wird... er steigt mit rucksack auf das bonton, das in dem moment leicht kippt und .... PLATSCH! fällt hinterrücks ins wasser samt aller bootspapiere und pässe in der hosentasche!!!! SCHIT! so rasch er kann klettert er an bord und holt alles aus den taschen... oje! der Seebrief schaut nicht gut aus! nass und leicht zerrissen! ich werfe den fön an und beginne alles vorsichtig zu entfalten und zu trocknen.

mit mühsam in folien zusammengesetzten papieren macht sich Harald ein zweites mal auf den weg...

 

14.00

 

...wäsche ist fertig! hafenmeister erledigt! - ab zum hotelpool! ... und mit musik, swimmingpool und kalter kokosnuss erinnere ich mich an alte hotelurlaube ;-)

15. märz

 

um 7.30 uhr fahren wir mit dem bus zu Morro Branco, einem natürlichen labyrinth aus sandstein direkt am meer. es ist ca. 60 km von Fortaleza entfernt. mit dem boot kann man dort leider nicht ankern, daher nehmen wir den bus. Serge und Irene kommen auch mit. 

in dem dortigen dorf mieten wir uns zu viert einen buggy und auf geht es zu den wunderschönen orten an der küste und am strand... 

 

WOW! was für ein anblick! hier waren wind und wasser die modeliermeister und bildhauer. in klippen aus sandstein mit verschiedensten farben wurden canyons geschliffen, die man einem labyrinth gleich, durchwandern kann... traumhaft!

ich fühle mich wie auf einem anderen planeten.....

 

wir fahren mit dem buggy einen großen teil der küste ab, laufen in die meeresbrandung mit hohen wellen, duschen in quellen, düsen auf hohe sanddünen hinauf, baden in süsswasserseen... es ist ein heidenspaß! 

 

 

hungrig kehren wir in einem strandrestaurant ein und essen fisch in kokossouce... um danach etwas müde mit dem bus wieder nach Fortaleza heimzukehren. 

14. märz

 

00.30

wir entschließen uns  in die koje zu gehen... verriegeln alle luken und die tür (man kann ja nie wissen) und Harald nimmt sicherheitshalber die leuchtpistole mit in die koje. die große achterluke direkt über der koje, 3 m vom heck entfernt, lassen wir noch ganz offen... wir löschen das licht und ich lese am iPad noch ein wenig.

 

plötzlich – ein geräusch am heck...ein pumpern... als ob eine boje gegen den rumpf schlägt, das ist mein erster gedanke... aber dann hören wir schritte ..da ist jemand! 

 

H:

ich schnappe mir die signalpistole und springe gleich nackt aus der luke. gerade noch rechtzeitig... der erste kommt mit einem messer auf mich zu, während zwei weitere aufs boot steigen... „Hey!“ der erste zögert, ob er mich angreifen soll, doch als sie die große pistole sehen springen alle hals über kopf ins meer und schwimmen schnell vom boot weg...

 

C:

inzwischen bin ich auch an deck und renne nach vor, den anker lichten, während Harald den motor startet... wir fahren mit vollgas zwischen wracks, frachter und bojen aus der ankerbucht hinaus, das holzboot der räuber, das sie an der reling festgebunden hatten im schlepptau. die gauner retten sich auf eines der wracks und müssen mitanschauen, wie ihr ruderboot in der dunkelheit verschwindet...

weiter draußen überlassen wir das holzboot dem meer und nehmen kurs auf die einzige marina auf der anderen seite der bucht... 

 

jetzt beginnen wir erst nachzudenken... was wäre gewesen!?

- wenn sie gewusst hätten, dass es nur eine leuchtpistole kaliber 4 ist?

  • wenn sie später gekommen wären und wir schon geschlafen hätten?
  • sie nicht so laut und ungeschickt gewesen wären?
  • sie im affekt Harald angegriffen hätten?
  • sie selbst eine pistole gehabt hätten? (vor kurzem wurde ein segler in derselben situation in Sao Louis erschossen)
  • professionelle räuber gekommen wären?
  • und und und...

 

mir schossen schreckensszenarien durch den kopf... angeschossener Harald... mit dem messer an kehle aufwachen...etc etc. erst jetzt kommen die zittrigen knie...

 

01.30

...endlich haben wir die marina erreicht und ankern vor der einfahrt. schlafen? 

Harald fährt noch um 2 uhr früh mit dem dinghy in die marina und schaut sich die situation an, ob zu dieser zeit ein ankern oder festmachen möglich wäre... aber leider ist es zu kompliziert und wir müssen bis zum morgen warten.

also bleiben wir wo wir sind, drehen alle lichter auf und gehen müde, aber schlaflos ins bett.

 

 

8.30 

langsames aufwachen und erinnern...

 

10.00

wir fahren in die marina, die zwar vor einem 5-sterne-hotel liegt, aber in sehr schlechten zustand ist. ein verwahrloster steg, keine mooring-leinen. wenige boote liegen hier - es gehen auch nicht viele rein, denn die hälfte des steges ist weggerissen... der rest ist verrostet und sehr wackelig. es ist nicht leicht, sich hier sicher festzumachen, der schwell ist stark... und es braucht zwei stunden, bis wir alle leinen so gut eingestellt haben, dass wir sicher liegen.

 

neben uns liegt ein Outremer catamaran, deren besitzer wir in Salvador kennen gelernt haben. Serge und Irene aus Paris.

und ein stückchen weiter liegt ein russischer abenteurer mit seinem selbstgebauten floß auf gummischläuchen. er querte den Atlantik von Afrika aus. 

 

17.00

bevor es dunkel wird, gehen wir „spazieren“ in die stadt, obwohl uns die franzosen abgeraten haben... es sei zu gefährlich. im spießrutenlauf über einige viel befahrene straßen kommen wir zu einer wunderschönen ungewöhnlichen kirche. 

 

sie erinnert mich an das Goetheanum in der Schweiz... sie ist ebenso komplett aus beton gebaut und hat wunderschöne glasfenster! ein unerwarteter ort in dieser leicht verkommenen und lauten stadt!

13. märz

 

0.00

noch immer selber kurs, aber bald können wir wieder auf vorwind gehen um Fortaleza zu erreichen...

 

1.30

wir gehen wieder auf Butterfly-Segel und Harald übernimmt die wache...

 

6.00

H:
Liebe Conny!

alles liebe wünsche ich dir zu deinem 51. geburtstag! mögen sich all deine wunschträume erfüllen und dich ganz glücklich werden lassen. ich werde alles tun, um dich glücklich zu sehen... in Liebe und in Freundschaft für immer...Harald

ps: genieße die „geburtstagstorte“!

 

8.00

C:

danke lieber Harald!

ich hab mich sehr gefreut! ja, das glück... wo es sich auch immer wieder versteckt... du bleibst immer in meinem leben... Conny

 

20.00

wir hatten wieder einen entspannten angenehmen segeltag vor dem wind und nähern uns Fortaleza... noch 15 sm... früher als gedacht.

 

22.00

1 sm vor der stadt... eine unmenge an lichtern empfängt uns... schwierig die ansteuerungsfeuer zuzuordnen...

 

23.00

wir laufen in den hafen ein und suchen den yachtclub, vor dem man laut hafenhandbuch ankern kann... er ist nicht zu finden ... also ankern wir vor den fischerbooten hinter der hafenmohle nahe von drei frachtern, alle hell erleuchtet.

wrackteile zeichnen sich in der dunkelheit gegen den fahlen wasserspiegel ab. am pier hört man menschen grölen. geschafft. 400 sm in 60 stunden.

 

 

die müdigkeit ist, wie immer, durch die aktiven manöver verflogen und es ist warm und angenehm im cockpit, wir trinken noch ein bier zusammen.

12. märz

 

6.00

wir gehen auf vorwindkurs mit Butterfly-Segel, schon auf direkten kurs nach Fortaleza.

 

8.30

konstanter wind, 5 kn fahrt. seit stunden begegnen wir vielen kontainerschiffen... sie überholen uns mit 15 kn...

 

12.30

es folgt ein entspannter segeltag... mit fischen, wasser machen, Harald rasiert seinen bart wieder mal weg und ich mache „Caprese auf Brasilianisch“ (statt Mozarella ein brasilianischer käse), danach espresso mit kuchen... fast wie urlaub!

 

14.00

wind dreht weiter nach Ost und wir schiften die segel auf die andere seite.

 

15.10

grrrrrrrrrrr...... ein biss! ...ein sehr großes Goldmakrelenmännchen springt hinter uns 2 meter aus dem wasser um den haken loszuwerden - mit erfolg! harald trauert um seinen teuren köder...

 

15.30

23 kn, wind dreht zurück nach SO, wir schiften wieder die segel auf raumen wind um... 

 

16.30

groß gerefft, war kaum runterzubekommen... ein mastrutscher brach... bis 27 kn wind von hinten... fahren trotzdem noch 8-9 knoten...

 

17.30

grrrrrrr... schon wieder ein biss! wieder ein Mahi-Mahi ... wieder ein riese! (mist!) mit der segelgeschwindigkeit haben wir sowieso keine chance...

 

H:

...ich helfe mit beiden händen der rollbremse, aber der fisch hat eine so ungeheure kraft, dass er trotzdem die angelschnur komplett rauszieht...trotz handschuh ist es mir nicht möglich, ihn zu stoppen. schließlich riss das stahlseil am köder und nun ist der fisch mit doppelhaken und köder unterwegs (frust)... 

wir werden ab jetzt weniger starke haken verwenden, damit die großen fische sie aufbiegen können...

 

17.30

der wind ist schon seit stunden sehr stark, bergen noch genua mit baum und ersetzen sie durch kleine fock... Conny kocht spaghetti mit fisch...

 

21.00

C:

 

heute übernehme ich die erste nachtwache... einige fischer kommen sehr nahe.

11. märz

 

8.00

wir umschiffen die untiefen der flussmündung hart am wind, mit hackiger see und segeln mit 7,2 kn (!) bei nur 10 kn wind aus SO gegen Norden. das saubere unterwasserschiff und die sauberen schrauben bringen gleich mehr speed! ich starte den wassermacher, Harald wirft die angel aus...

 

wie befürchtet, haben wir unzählige bisse von den Sandflies... ich höre auf zu zählen... es sind mehr als 100! und sie jucken fürchterlich... wie flohbisse. :( 

 

13.00

mit Spinnaker 60° am wind, 5 kn fahrt...

 

ich bekomme ein „kübelbad“ an deck... Harald zieht sich an der badeleiter nach, er hat die kraft, sich auch bei der geschwindigkeit noch hochzuziehen, was ich nur bis 4 kn schaffe...

 

18.00

wind frischt auf - 13 kn, 8 kn fahrt...

 

es wird dunkel und wir überlegen gerade, was wir kochen sollen... da meint Harald zu mir: „die angel ist noch draußen, wirst du den fisch reinholen?“ spaß... aber ich geh hin um die angelschnur einzurollen... aber hoppla! ... da hängt ja wirklich was dran! wir holen den fisch rein... er ist bereits tot, hat sich bei den 8-10 kn das genick gebrochen. es ist wieder eine Spanische gefleckte Makarele, Danke Poseidon! 

 

...also gibt es fisch zum abendessen ;-)

 

19.00

H:

Conny legt sich in die Koje... wir segeln mit 8 kn am wind (14 kn) an Natal vorbei... frachter kommen uns entgegen, ein paar fischerboote... wir sind jetzt ca. 15 sm vom land entfernt.

 

01.30

schönes segeln... neuer kurs 340° halbwind... viele schiffe passieren uns... gehe jetzt Conny zur wachablöse aufwecken...noch 250 sm bis Fortaleza.

 

C:

 

ich übernehme die wache... fischer, frachter um uns... helle küste und sternenhimmel. ich signalisiere einigen fischern, die auf unserem kurs sind, mit der taschenlampe, dass wir ein segelboot sind und nicht so leicht ausweichen können wie sie... 

10. märz

 

...am weg weiter in den norden „stranden“ wir mit Florimell.. - freiwillig! - um ihre rümpfe von den letzten muscheln und algen zu reinigen. Harald hatte das schlimmste beim letzten tauchgang entfernt, aber das wasser war zu trüb und schmutzig, um alles sehen zu können. der neumond verspricht eine große tide und die strände hier sind sehr flach...

 

wir suchen uns einen guten platz, fahren bei hochwasser auf grund und „werfen“ den anker auf den strand... ein heckanker hällt uns gegen die strömung stabil. es dauert nicht lange und das wasser schwindet... wir beginnen zu putzen - mit spachtel, stemmeisen und scotch bewaffnet. da spür ich die bisse von Sandflies - Shit! ich kenne sie von der Karibik, winzigkleine beissende biester, deren bisse wie verrückt jucken. na fein! aber wir lassen uns nicht abschrecken. es wird weiter geputzt und nach ca. 4 stunden sind beide rümpfe wieder komplett sauber.

 

um uns herum ein wunderschöner naturstrand mit ein paar fischern... ein paar jungs kommen mit ihren pferden, um sie zu baden und zu reinigen. wir borgen ihnen unsere reissbürste, was den pferden sichtlich gefällt. immer wieder ziehen die burschen die tiere hinaus ins meer und lassen sie zurück schwimmen... brustend und schnaubend schwimmen die vierbeiner ganz gut, aber man sieht ihnen an, dass sie erst entspannt sind, wenn sie wieder boden unter den hufen spüren. 

 

wie an vielen stränden bisher ist auch hier müll zu sehen. keinen stört es. kinder spielen mit plastiksäcken, wenn sie sie im wasser finden, aber räumen sie nicht weg. es gibt hier scheinbar kein bewusstsein für müll und umwelt. hausmüll wird irgendwo am dorfrand einfach auf einen platz geworfen und irgendwann, wenn es zuviel wird, angezündet. es stinkt fürchterlich. 

in größeren städten gibt es zwar eine müllabfuhr, doch die tut auch nichts anderes - nur in großem stil auf einem größeren platz. der wind trägt die abgase in die atmosphäre und verteilt es global... soviel zu Co2.

 

die ebbe hat einiges an plastiksäcken freigelegt, die man bei flut nicht sehen konnte...

ich steige die badeleiter hinab und beginne vor, hinter und zwischen den fischern müll einzusammeln... keine reaktion. 

ich tröste mich damit, dass es trotzdem im gedächtnis bleibt. dass jemand, der nicht hier wohnt, nichts weg geworfen hat, dennoch müll einsammelt.. wie blöd ist das denn? oder doch nicht? stört der müll vielleicht doch? 

(mehr dazu folgt hier >> blog zukunftskompetenzen)

 

 

bei hochwasser schwimmt Flori wieder und wir setzen unsere fahrt fort. voller freude merken wir, wie viel schneller unser boot jetzt durchs wasser gleitet...

 

 

8. märz

 

...und wieder werden wir morgen den anker lichten und weiterziehen ... wieder wird ausklariert und eingekauft... denn morgen beginnt die segelstrecke nach Fortaleza rund 450 sm, also 3-4 tage auf see... zu einem besonderen naturschauspiel, das ich gerne sehen möchte... doch davon im nächsten logbuch mehr...

 

 

7. märz

 

Harald möchte in die hauptstadt und so fahren wir mit dem zug um 0,50 Rials (10 Eurocent!) nach Joao Pessoa... die stadtwanderung bringt uns wieder ein wenig bewegung in die beine.. obgleich es bei der hitze, mit 34° im schatten, kein wirkliches vergnügen ist. aber kühle kirchen, eiskalte kokosnüsse und schattige bäume machen es erträglich. 

wir besuchen die berühmteste kirche weit und breit... die „Igreja Sao Francisco“... und sie ist tatsächlich eine wunderschöne, im original erhaltene kirche, die jedoch nicht an die in Salvador de Bahia heran kommt.

die stadt selbst ist sehr laut. wir tauchen ein in den brasilianischen alltag der straßenhändler, geschäftsleute und der büroangestellten beim mittagessen im selbstbedienungsrestaurant, wo Harald um 6 Rials hühnchen mit reis und pommes isst und ich um 8 Rials gebratenen käse, erdäpfelpüree, kürbis-karottenpüree, pommes, bohnen, bebratene banane und ananas (alles in kleinstmengen ;) esse. 

 

der zug retour nach Jacare ist leider der alte von den beiden zügen, die hier verkehren. am morgen durften wir in einem modernst ausgestatteten klimatisierten zug fahren, was natürlich sehr angenehm war. jetzt sitzen wir in dem alten, mit lochgittern vor den fenstern und schwitzen... es geht raus aus der stadt... durch enorme müllberge, in denen bedauernswerte menschen und tiere wohnen... wieder hinaus aufs land. zwei polizisten, mit schlagstöcken und pistolen bewaffnet, patroullieren durch den zug... auch in der stadt war die millitärpolizei präsent, immer schwerst bewaffnet. die bahnhöfe sind überall streng überwacht und abgesperrt. man kommt nur mit bezahlten tickets bei engsten drehkreuzen hinein.

 

 

noch ein kurzer stopp im marinagebäude von Jacare, wo ich noch ein wenig meine mails und facebook durchackere und wir ein wenig austausch mit französischen seglern am pier haben. sie erzählen von ihrer reise von Cap Verden nach Brasilien... sie stoppten auf Fernando de Noronha, wo sie kräftig zur kassa gebeten wurden, sie zahlten rund 200,- Euro an gebühren nur fürs ankern (!) und das wasser sei auch nicht so klar gewesen, wie es kolportiert wird. (es ist naturschutzgebiet, aber auch hier scheinen sich die auswirkungen der umweltverschmutzung bemerkbar zu machen.) es geht zurück auf die Florimell zu einem neuerlichen guten abendessen mit einer variation von Spanischer Makarele...

 

6. märz

 

10.30

mit den motoren geht es bei auflaufender strömung weiter flussaufwärts nach Jacaré... ein nettes dorf am flussufer mit 3 marinas (!) erwartet uns hier. mehrere kleine stege mit yachten, darunter viele mehrrumpfboote. Harald geht auf erkundungstour und trifft Peter, der deutsch spricht und früher hier Catamarane gebaut hat. er musste es aufgeben, denn es gibt zuwenig gute bootsbauer und verlässliche arbeiter hier. 

 

wir erspähen turbulentes treiben am ufer und fahren mit dem beiboot hin... mehrere ausflugsschiffe werden mit passagieren gefüllt und machen - wie wir erfahren - eine „Sunset-Tour“ mit musik und gutem essen. Jacare ist bekannt für den „schönsten sonnenuntergang „in brasilien... (die werbetrommel?)

weiters erfahren wir, dass es einen 400 jahre alten stadtkern in der nahe gelegenen hauptstadt Joao Pessoa gibt und eine alte festung, „La Fortaleza Santa Catarina“ aus dem 16. jahrhundert in Cabedelo. die Portugiesen und Niederländer haben hier einfach uralte spuren hinterlassen.

 

wir schlendern durch das unerwartete, bunte treiben mit tausenden brasilianischen ausflüglern, entdecken die vielzahl brasilianischer süßigkeiten, die meist aus den hiesigen früchten erzeugt werden, ein originelles lokal im piratenlook und lustige straßenmusikanten. das ganze geschehen spielt sich ausschließlich an der promenade auf einer länge von einem halben kilometer ab.

 

abends wieder gemütlich im cockpit kommt die live-musik in wellen zu uns rüber... wir essen fisch ;-)

 

als ich meinen blick auf das andere flussufer richte, erschrecke ich...  ein starker roter schein über dem wald, der immer stärker wird... feuer! ... wir wissen nicht, ob es ein kontrolliertes rodungsfeuer oder ein aus der bahn geratenes lagerfeuer ist, das zu einem waldbrand wird... es lodert  ca 2 stunden gewaltig hell.... dann wird es gottseidank wieder schwächer, noch am nächsten tag sehe ich rauchfahnen...

 

5. märz

 

5.00 

tagwache!

bei ablaufenden wasser schaffen wir es glücklich zwischen sandbänken hindurch ins tiefe wasser. 

wind SO ca. 12 - 16 kn. wir machen gute 6-7 knoten und fühlen uns wieder richtig wohl... Harald bringt die schleppangel aus, mit gummioktopus und doppelhaken, die segel werden nachgetrimmt, ...wir sitzen im cockpit, als plötzlich das vertraute geräusch ertöhnt...

 

8.00

grrrrrrrrr.... - ein fisch hat angebissen!! ich kurble ihn rein... gottseidank! kein tuna, keine goldmakrele... es ist ein anderer fisch... und mein neues „fisch-app“ gibt auskunft: eine „Spanische Gefleckte Makarele“! sie ist nicht so groß, aber wir werden 4-5 mal davon essen können.. ich danke Posseidon für dieses geschenk!

 

13.30

wir segeln an Joao Passoa vorbei... die hochhaussillhouette auf backbord. ich bemerke, dass ich eine abneigung gegen diese großstädte mit ihrem lärm und dreck zu entwickeln beginne.... es zieht mich immer mehr zu naturplätzen (die immer rarer werden).

 

14.00

wir umrunden den östlichsten punkt des Südamerikanischen Kontinents mit einen  weissen turm gekennzeichnet, dem Ponta do Seixas, und segeln gegen 2,5 kn gegenströmung in den Rio Paraiba hinein... am handelshafen vorbei... und ankern vor Cabedelo in einigem abstand zum ufer, wo viele fischerboote bei low tide auf grund liegen. wir sehen fähren, alte und neue lagerhäuser und favelas.

 

kleine delfine kreisen um unser boot auf der jagd nach flussfischen... die sonne geht orange und groß hinter den mangroven unter... wir haben es wieder einmal zeitlich geschafft, vor dunkelheit am ankerplatz zu sein.

 

4. märz

 

am ufer liegen einige wracks, die aufgegeben wurden. eines hat einen besonders treffenden namen: „Aussteiger“... ausgestiegen aus dem üblichen leben... erst der besitzer und dann das boot. in der zwischenzeit hat man schon vieles abmontiert (geklaut).

endlich setzen wir nach einem monat wieder das großsegel ...dabei kommt uns viel regenwasser entgegen und ich bekomme eine ungewollte dusche ab... und beim anker lichten, hängen unzählige (mehr als 50!) plastiksackerln dran, jetzt wissen wir, warum er nicht gehalten hat. mit den bootshaken befreien wir den anker von der „plastik-last“ ...man stelle sich den meeres- und flussgrund in den städten vor ...er muss von müll übersät sein!! plastiksäcke gehören wirklich auf der ganzen welt verboten! 

wir nehmen kurs auf die ausfahrt und steuern Florimell auf die offene see hinaus...

 

16.00

 

15 sm nördlich in der mündung des Rio Igaraca lassen wir erneut den anker fallen... diesmal auf sandgrund im klaren wasser. die einfahrt ist nicht gekennzeichnet und mit etwas bauchweh passierten wir die barre bei 1 meter wassertiefe unterm kiel. kein weiteres boot ist zu sehen.

es ist herrlich windig, (was bedeutet: keine moskitos!), lauwarmes, seichtes wasser... und nach langer zeit steige ich wieder die badeleiter hinab ins kühlende wasser... :))

 

mit dem dinghy gehts zum strand neben der holländischen festung „Orange“ aus dem Jahre 1777. etliche strandbuden, minimärkte und eine dorfstraße, die wir entlangwandern... wir kaufen brot, orangensaft und kekse... ein kokosnussverkäufer kommt mit frischer ware auf seinem fahrrad nach hause und harald spricht ihn an... sie witzeln hin und her wegen dem preis und beide lachen... wir entdecken einen holzkünstler und maler, der wunderschöne dinge geschaffen hat und schauen uns seine werke an... ein objekt gefällt uns besonders... es ist liebevoll aus einem holzstück gearbeitet, ein ohr wächst heraus, eine schlange... ein vogel... wunderschön. es ist mit 1.000 Euro für eine galerie in der stadt vorgesehen und wir sind sicher, dass er es verkaufen wird. 

 

als wir gehen, ruft uns der kokosnussverkäufer nach, wir sollen herkommen, er gibt uns eine trinknuss... wir dachten, ok, er gibt sie uns nun zu dem preis, den Harald spaßeshalber verhandeln wollte... aber nein, er schenkt sie uns! „weil wir so sympathisch sind“ ;-)

mit dem dinghy geht es noch auf die insel visavis... die nur bei flut eine insel ist. als wir anlanden kommt ein freundlicher brasilianer gelaufen um uns zu helfen... er deutet uns, ihm zu folgen und geht mit uns zur rückseite der insel, wo wir eine unendlich weite ebbelandschaft erblicken... im moment ist die insel keine mehr, denn man kann zu fuß zum festland gehen... kilometerweit.

 

wir trinken ein bier bei ihm und er zeigt uns eine schöne languste nach der anderen in der hoffnung, uns eine verkaufen zu können. 60 Rials will er für eine haben. leider können wir ihm diesen wunsch nicht erfüllen und wir verabschieden uns, nicht ohne lachenden austausch, bei einsetzender dämmerung.

 

morgen wollen wir um 5.00 uhr weiter, um noch bei auslaufenden wasser über die flachstelle zu kommen und weiter richtung Jacare zu segeln, das 65 seemeilen entfernt ist.

 

 

3. märz

 

das wetter hat sich verändert... wolken ziehen auf, der wind nimmt zu... eine gewitterfront kommt auf die stadt  zu. bald blast es mit 35 knoten aus NO... und unser anker beginnt zu rutschen! wir hatten bei 2,5 m wassertiefe 20 m kette draußen. Harald gibt noch 15 m kette dazu und er hält wieder. es schüttet in strömen. 

eine abfahrt ist nicht ratsam, also nützen wir das wetter für servicearbeiten. Harald zieht den keilriemen beim steuerbord-motor nach und wechselt das motoröl.

als er zum steg fährt, kommt er mit einem freundlichen bootsbauer ins gespräch, der einen beschädigten catamaran herrichtet. das deck ist komplett aufgerissen, verfaultes sperrholz ist zu sehen... offenbar hat der mast das deck zertrümmert und das wrack stand eine weile bevor er es billig erstehen konnte. er richtet das boot für einen verkauf her.

er gibt uns die adresse einer catamaranwerft in  Sao Luis, wo die meisten brasilianischen mehrrumpfboote gebaut werden.

 

es regnet noch immer und wir bleiben doch noch einen tag länger im hafen.

 

2. märz

 

Harald fährt noch zum hafenmeister ausklarieren, gemüse und obst kaufen und wir motoren mit auslaufenden wasser aus der marina raus und ankern nochmal im kanal vor den riesigen kunstwerken des keramik-künstlers Francisco Brennand. diese 16 jahre alten monumente stehen direkt auf der hafenmole und wurden im jahre 2000 installiert, um die entdeckung brasiliens zu feiern. wir mischen uns ein wenig unter diese surrealistischen gestalten bevor wir wieder auf unser boot zurück kehren.

 

die Florimell hat starken bewuchs am unterwasserschiff, das antifouling hat leider kein halbes jahr gehalten (schon einmal mussten wir es reinigen), auch die propeller sind mit pockenmuscheln bewachsen. kein wunder bei dem dreckswasser in der marina, das eher stehend war. Harald hat sich inzwischen nach 10 tagen von seinem gips befreit und taucht mit taucherflasche und spachtel bewaffnet, um das boot von den muscheln und algen zu befreien. da er kaum sicht hat bei dem auch hier noch sehr dreckigen wasser (in dem übrigens eifrig gefischt wird), gestaltet sich die arbeit noch schwieriger. es ist anstrengend und danach spürt er wieder leichtes ziehen in seiner noch nicht ganz ausgeheilten hand.

 

inzwischen ist es abend und es geht müde in die koje... in der kühlen brise des ankerplatzes schlafen wir besser als in der marina.

 

29. februar

 

abseits von terminen haben wir das schaltjahr erst jetzt bemerkt ;-)

 

...vorletzter tag in Recife Marina Cabanga... wir kaufen ein und machen uns startklar.

 

beim aufräumen entdecke die erste barata, cucaracha (küchenschabe) an bord! ... die dinger sind unglaublich schnell, aber ich war schneller ;-) die packung in der sie drin war wandert in den müll am land... es blieb bei der einen :)

 

 

26. februar

 

vom fenster des flugzeugs konnte ich nochmal den roten fluss und sogar am ende seines breiten flusslaufs die Iguazu-Fälle sehen und ein blick auf die flugkarte zeigte, dass wir „zufällig“ nach Curitiba (zwischenlandung) fliegen, wo das quellengebiet des Iguazu liegt...

 

 

erneut sind wir mit drei fliegern bis in die frühen morgenstunden unterwegs bis wir wieder auf unserer Florimell landen. dort ist alles in bester ordnung und die nächsten tage dienen der vorbereitung zur weiterfahrt... die brasilianische küste entlang gegen den norden zu der mündung des Amazonas...

23. - 26. februar – IGUAZU

(* Iguazu ist die argentinische schreibweise, Iguaçu die brasilianische)

 

 

...eine nacht lang unterwegs...3 mal umsteigen, denn die verbindungen in brasilien sind nicht immer einfach bei den riesendistanzen. 2 stunden schlaf. aber als wir in Foz de Iguaçu ankommen, stehen Lilian und Alex schon am fenster des flughafengebäudes und winken heftig. Lilian, meine cousine aus Argentinien, die ich seit 10 jahren nicht gesehen und noch nie in ihrer heimat besucht habe. große freude! lachend umarmen wir uns... hey! sooo lange her! jeder will gleich alles wissen während wir zum auto gehen.

 

„Was haltet ihr davon, wenn wir gleich die brasilianische seite der Iguazu-Fälle* besuchen, wenn wir schon mal hier sind? fragt sie und wir sind natürlich einverstanden... so werden wir gleich von den mächtigen wasserfällen empfangen... je näher wir kommen, desto ruhiger werden wir... WOW!

ein lustiges tier nimmt verfolgung auf, weil Lilian kekse knabbert... ein Quatí! ein südamerikanischer nasenbär so groß wie ein kleiner fuchs mit einem buschigen gestreiften langen schweif... süß, aber es ist strickt verboten, sie zu füttern. immer näher kommen wir zu den wasserfällen... die feuchte luft wird dichter, aber ich möchte ganz nah an die fälle heran... möchte sie spüren... direkt auf meiner haut... ohne regenschutz... zum greifen nah donnern die wassermassen 80 meter in die tiefe und erzeugen eine gewaltige gischtwolke... es ist überwältigend!

 

nass und tief beeindruckt geht es im bus des nationalparks zurück zum parkplatz. gerade rechtzeitig, denn es beginnt zu regnen, nein zu schütten! wie ich erfahre, regnet es seit november sehr viel in südamerika, zu viel. viele häuser sind nicht dafür gebaut und es kommt zu wassereinbrüchen... sonnige schöne tage gibt es bisher wenige, dennoch ist es sehr heiss und schwül. mittlerweile sind wir ganz schön hungrig und Alex fährt mit uns in eine Churrasqueria, (eines der typischen restaurants in dieser region), wo ich mich an gebratener Ananas, gemüse, obst und salat erfreue, während die anderen unzählige fleischsorten von den frisch gegrillten spießen probieren... ein festessen.

 

es ist nicht weit zum Dreiländereck: Paraquay - Argentinien - Brasilien... wo der Igauzu-fluss in den Parana mündet. wir beobachten eine autofähre, die gerade den Iguazu runterkommt und gleich in die strömung des Parana eintauchen wird. am anderen ufer warten bereits autos... auf gleicher höhe, wie will sie das schaffen? bald schon steht sie beinahe längs der strömung und muss volle kraft gegensteuern, um nicht abgetrieben zu werden. unter voller motorleistung legt sie an und die autos fahren an land während der motor weiterhin auf hochtouren arbeitet.

weiter weg ist die brücke zwischen Brasilien und Paraquay zu sehen, die täglich tausende kleinhändler benutzen, um allerlei waren günstig in Paraquay einzukaufen. Mit dem auto hat man kaum eine chance voranzukommen und Lilian erzählt, dass man nur mit schmiergeld nach vor gereiht wird. diensthabende polizisten sperren einfach so lange ab, bis die leute anfangen zu zahlen. somit geben wir die idee auf, Paraquay einen kurzbesuch abzustatten.

 

am heimweg stoppen wir noch an einer der edelsteinmienen. Lilian zeigt uns eine, die ihr besonders gut gefällt, weil man dort am besten sehen kann, wie die steine entstehen und abgebaut werden... und tatsächlich - in der miene sind unzählige kristalle zu sehen. Bergkristalle, Amethyste, Topas, Achate, Rubine, Smaragde, Aquamarine u.a. m. wie sie im lavagestein eingeschlossen sind und zum teil herausgearbeitet wurden...der verwalter erklärt, dass in der lava vor millionen von jahren blasen entstanden sind, in denen sich die kristalle unter enormen druck gebildet haben...  einer schöner wie der andere. hier in dieser miene gibt es 12 stollen, in denen heute noch abgebaut wird, 6 stunden am tag. die miene heisst „Wanda“ nach einer polnischen marschallstochter, da die landbesitzer hier ursprünglich polen sind. gleich neben den stollen sind die werkstätten zur verarbeitung der steine und der ausstellungs- und verkaufsraum... ich konnte nicht umhin, meine steinsammlung zu erweitern ;-)

 

 

Familiengeschichten und Weltgeschehen

 

müde und zufrieden kommen Harald und ich im heim von Lillian und Alex an und ziehen in das ehemalige kinderzimmer ein. das haus ist ein großzügig, offen gebautes haus, dem man seine glanzzeiten noch ansehen kann. Es steht in der „besseren“ gegend von Eldorado (El Dorado), wo es viele deutschsprechende einwanderer gibt. so ist auch mein Onkel Hans, der 1938 mit 16 jahren zum militär eingezogen wurde und später auch nach Russland sollte, aber 1944 desertiert ist, bei kriegsende dorthin emigriert, nachdem er sich in das foto einer deutschen frau, deren eltern schon in Eldorado lebten, verliebt hatte.

 

er arbeitete zunächst in einer Dungfabrik am Paraná. sie war eine der haupteinkommen der region. Dung ist eine frucht von einem baum, die zu maschinenöl verarbeitet wurde. sie schmeckt gut, ist aber giftig und auch Alex musste als kind einmal zum magen auspumpen ins hospital, wie viele andere kinder auch, die davon kosteten.

 

Hans durchlebte in seiner neuen heimat gute aber auch schlechte zeiten, startete viele unternehmen, die leider nie lang überleben konnten, bevor er wegen seiner herzkrankheit aus klimatischen gründen nach österreich zurückkehren musste. dort starb er auch bei seiner 3. herzoperation.

 

ich fragte mich, wie dieser flecken land zu dem wurde, was er heute ist? wie war es damals für die menschen, die hierher kamen und neu anfangen wollten?

 

in dem heimatmuseum der stadt sehen wir einen film über die geschichte der region auf deutscher sprache und viele ausstellungsstücke, die die alten siedler gespendet hatten, damit das wissen um ihre herkunft nicht verloren ginge.

 

Eldorado de Misiones – ein Paradies?

 

die erste große deutsche auswanderungswelle nach Südamerika, speziell nach Brasilien setzte 1824 unter der brasilianischen Kaiserin Leopoldine von Habsburg ein und in mehreren wellen fort auf der suche nach selbstverwirklichung und freiheit. ende des 19. jhdts. hatten die deutschsprachigen Brasilianer  bereits den Uruquay-Fluss erreicht und breitete sich weiter in argentinisches gebiet aus.

 

die region Misiones war lange zeit umstritten. Argentinien hatte es sich nach dem Tripel-Allianz-Krieg gegen Paraquay gesichert und wollte das brachliegende land nun besiedeln. allerdings mit menschen, die keinen bezug zu Paraquay haben sollten. für Kreolen war dieses land auch nicht besonders attraktiv. politisch war außerhalb Argentiniens niemand interessiert ,sodass man auf private Initiativen setzte und grundstücke von je 25 ha günstig verkaufte. deutsche kolonisten sollten als „Wehrbauern“ dort ansässig gemacht werden.

 

die ersten einwanderungsfamilien kamen ende des 19. jhdts. aus Rußland, Ukraine und Polen, die sich im süden von Misiones, in dem von den Spaniern zerstörten teil der alten Jesuitenreduktion Apóstoles ansiedelten. es folgten menschen aus dem süden Argentiniens und Brasiliens. der erfahrene kolonisator Carl Culmey aus Neuwied gründete in privatinitiative 1919 am Oberen Paraná die siedlungen Puerto Rico für katholische und Montecarlo für protestantische siedler und rekrutierte seine kolonisten vornehmlich unter den deutschstämmigen in Südbrasilien.

 

der Erste Weltkrieg brachte die wende. viele Deutsche wechselten nach Argentinien, da es damals im gegensatz zu Brasilien als deutschfreundlich galt. ein stück land kostete damals 2 Pesos pro hektar und wurde als „Zukunftsland deutscher Niederlassungen“ gehandelt.

 

im jahre 1919 rief der frankfurter Jude englischer nationalität, Adolfo Julio Schwelm, der zusammen mit dem bankhaus Tornquist in Buenos Aires eine gesellschaft ins leben, welche am Oberen Paraná in Misiones eine kolonie mit dem verheißungsvollen namen Eldorado gründete. mit einem gewaltigen reklameapparat holte Schwelm ca. 4.000 Deutsche nach Eldorado und auch nach Puerto Rico und Montecarlo, dessen Verwaltung er ebenfalls bald übernommen hatte.

 

das marketing funktionierte perfekt nach dem Ersten Weltkrieg, als es in Europa nicht einfach war. viele menschen wanderten aus in der hoffnung auf ein „paradies“. sie verkauften alles und fuhren über den ozean in die neue heimat, die sie nur am papier kannten. umso schlimmer war das erwachen, als sie nur urwald vorfanden, der erst einmal gerodet werden musste. keiner hatte das geld für die rückfahrt, sodass sie alle wohl oder übel bleiben und das beste daraus machen mussten. sie fühlten sich betrogen, aber es blieb ihnen nichts anderes übrig, als hart zu arbeiten. sie halfen sich gegenseitig und bauten sich in den folgenden jahren ihr eigenes „paradies“ auf.

 

nach Eldorado wurden die finanziell potenteren siedler geleitet, die weniger vermögenden wurden in Montecarlo an land gesetzt. ziel dieser maßnahme war, für den fall zu erwartender krisen die überlebensfähigkeit zumindest einer kolonie zu garantieren.

 

das geldproblem betraf fast alle kolonisten und war chronisch. die lösung fand man in einer art ethnischer solidarität: die „Kooperative“. intern wurde unter den kolonisten ein bargeldloser zahlungsverkehr entwickelt, der den ankauf landwirtschaftlicher produkte ermöglichte. die kooperative war in der lage, im außenverkehr den zwischenhandel auszuschalten oder zu minimieren. die kooperative sicherte das überleben und die existenz. gleichzeitig sorgte sie aber für die entstehung geschlossener gemeinschaften, die sich nach herkunft, konfession und vermögen differenzierten. jede kolonie lebte je nach herkunftsland sozial getrennt von der anderen. man half einander, fand aber nicht zueinander. die deutsche sprache, gemeinsame lieder und eine gemeinsame arbeits- und lebensethik schufen verbindungen, die in ein „gemeindeutsches sonderbewusstsein“ mündeten, das seine gemeinsamkeit im gefühl der überlegenheit gegenüber den anderen volksgruppen fand. der kontakt mit den anderen ethnischen gruppen (Slawen, Kreolen, Guaraní-Indianern) wurde auf ein notwendiges minimum beschränkt und besaß in der koloniasationsphase keine gesellschaftliche relevanz.

 

die eigentliche kolonisation erfolgte unter schwierigsten umständen. ein widriges klima, scharen von ungeziefer, krankheiten, vor allem aber der zähe subtropische regenwald waren zu bezwingen. in der literatur wird ein kolonist mit den worten zitiert: "Ich habe ihm gegenübergestanden, diesem grünen Ungeheuer. Nicht um es zu besingen, sondern um es zu besiegen. Da war der Wald nicht mehr so, wie ich ihn immer gesehen: freudige bunte Halle neben dämmernder, die Seele mit Andacht füllender Mystik. Da erhob er sich plötzlich vor mir als furchtbares Tier. Gieriger als jene Ungeheuer der Tiefsee umschlang er mich mit tausend Krakenarmen, um mir das Blut auszusaugen ..."

 

zu beginn des Zweiten Weltkrieges war die zahl der deutschsprachigen in Misiones bereits beträchtlich angestiegen. 1937 werden 10.000  und 1941 bereits 39.000 angegeben. das aufkommen nationalistischer strömungen in Europa verschärfte allerdings auch am Oberen Paraná die gegensätze zwischen den einwanderergruppen. 1938 gründeten Polen südlich von Iguazú eine siedlung namens Wanda, nach einer tochter von Marschall Pilsudski. das nationalsozialistische Deutschland versuchte auch direkt einfluss in Misiones zu nehmen. die deutschen schulen erhielten dringend notwendige subventionen aber trotzdem versagte die intendierte gleichschaltung. anders, als in Buenos Aires, wo die ereignisse zwei lager bildeten, die einerseits heiße zuneigung und andererseits bitteren hass zeigten,  war in Misiones indifferenz die mehrheitliche reaktion. die NSDAP besaß in Misiones 68 mitglieder, die z.t. sehr aktiv waren und deren tätigkeit von polizei, presse und politik genau beobachtet wurde, doch ihr tatsächlicher einfluss war gering und einige gemeinschaften stellten sich gegen sie.

 

für mich ist es interessant zu sehen, wie ein teil meiner familie in diesem land gelebt hat und heute noch lebt. mein cousin und Lilians brunder, Ricky, den ich seit 20 jahren nicht mehr gesehen hatte, ist professor an einer mittelschule (englisch und geschichte) mit 40 lehrstunden pro woche, und er ist auch noch evangelischer pfarrer in eigenverantwortung. d.h. er musste sich eine kirche mieten und refinanziert sie über seine „schäfchen“. sein traum ist es, auch eine evangelische schule zu gründen. er hat zwei kinder (20 und 16) und kommt so schlecht und recht über die runden. der verdienst ist ein bruchteil von dem, was ein lehrer in österreich verdient. sein haus ist das elternhaus seiner mutter Olly (die ehefrau meines onkels) und weitgehend so geblieben, wie es damals war. was bei uns als morbide und veraltet gilt, ist hier gutbürgerlich.

 

um ein besseres gefühl für das leben hier zu bekommen, hier ein paar beispiele:

100 Argentinische Pesos sind derzeit 6 Euros. dennoch sind viele dinge im supermarkt teurer als bei uns. (wie in den meisten exotischen ländern) nur am straßenmarkt ist es meistens noch billiger. ein einfacher arbeiter verdient hier um die 400,- Euro pro monat. ein neues haus mit grundstück kostet z. b. umgerechnet ca. 150.000 Euros... was für dortige verhältnisse ebenso viel ist wie das dreifache bei uns.

nach diesem ereignisreichen tag schlafen wir tief und fest bis zur morgendlichen Maté-Zeremonie am balkon. Maté ist der traditionelle argentinische tee und Alex ist auch heute noch an einer Tee-Kooperative beteiligt. Lilian und Alex sind seit über 40 jahren verheiratet und nützen diese morgendliche zeit für sich, um sich gegenseitig auszutauschen (guter tipp!) erst danach geht es zum frühstück einen stock tiefer.

am dritten tag soll es bereits wieder richtung boot gehen und wir fahren nun zur argentinischen seite der Iguazu-Fälle. Harald meint, es wäre nicht notwendig, denn das, was wir auf der brasilianischen seite gesehen hatten, könne sicher nicht übertroffen werden... doch er sollte sich irren!

 

mit auto, bummelzug und zu fuß über endlose stege, die sich über das riesige flussgebiet ziehen, nähern wir uns ein zweites mal diesen gigantischen wasserfällen...

in den letzten tagen gab es wiederholt starke regenfälle, sodass das hochwasser nun nicht blau oder grün, sondern rot von der erde ist! unser besonderes glück, immer nahezu allein an den besonderen orten zu sein, ist uns auch hier hold. von weitem sehen wir schon eine wolke, die wie weisser rauch emporsteigt... es ist die gischtwolke, die das herabfallende wasser erzeugt. ich erblicke das riesige loch, in das sich der fluss verliert... und einen permanenten regenbogen... kleinste wassertropfen fliegen durch die luft und kühlen unsere haut... und dann stehen wir direkt über dem abgrund des „Garganta del Diablo“...

 

...ohne worte. dieses naturschauspiel, noch dazu bei hochwasser, ist unbeschreiblich...

 

 

die Iguazu-Wasserfälle - ein Unesco Weltkulturerbe

 

20 größere sowie 255 kleinere wasserfälle gruppieren sich auf einer länge von 2,7 kilometern mit einer fallhöhe von 64 bis 82 metern. bis zu mehr als 7000 m³/s ergießen sich über diesen gigantischen einbruch in der landschaft. der Garganta del Diablo, der „Teufelsschlund“ ist eine U-förmige, 150 meter breite und 700 meter lange schlucht.

der name Iguazú kommt aus dem Guaranischen „y“ für wasser und „guasu“ für groß.

 

im mythos der Guarani schuf der vor eifersucht rasende Gott Mboi oder Boi diese schlucht, als eine jungfrau, die ihm geopfert werden sollte mit ihrem geliebten in einem kanu fliehen wollte. der bösartige und rachsüchtige Gott in form einer riesenschlange schlug voller zorn in das flussbett und nahm die seele des mädchens in einem felsen am fuße des wasserfalles gefangen, ihr geliebter verwandelte sich daraufhin in einen baum am ufer des Teufelsschlundes, wo er diesen felsen im auge behalten konnte...

 

ich halte ausschau nach einem alten baum am ufer, doch die gischt des brodelnden wassers verdeckte völlig den boden, sodass sich mein blick ins nichts verliert...

 

wieder ist es schwer, sich loszureissen... an orten wie diesem fühle ich mich zeitlos... all-eins...gedankenverloren treten wir den rückweg über die aufwendig gebauten stege an und werden dabei von unzähligen, bunten schmetterlingen und lustigen vögeln begleitet...

 

 

 25. februar – ITAIPU

 

unser rückflug nach Recife geht erst morgen und wir nächtigen in einem sehr günstigen hotel im zentrum von Foz de Iguaçu, das seine besten zeiten schon hinter sich hat.

 

die flugzeit um 16.50 uhr erlaubt uns noch den zweitgrößten staudamm in südamerika, den Itaipu, sowie den Vogelpark zu besuchen.

konnten wir gestern natürliche wasserfälle sehen, so erleben wir in Itaipu einen von menschenhand erzeugten. wegen der starken regenfälle ist eine der schleusen offen und es stürzen ebenso gewaltige wassermassen hinab.

 

Itaipu ist ebenso wie Iguazu ein wort aus dem Guaraní und bedeutet Itá ‚Fels‘,  i ‚der‘,, pú ‚klingt‘. es ist ein gigantisches bauwerk.

bis zur Fertigstellung des Drei-Schluchten-Stausees in der Volksrepublik China im jahr 2006 war Itaipu leistungsmäßig das weltweit größte kraftwerk. und es bleibt es weiterhin  hinsichtlich der jahresenergieproduktion und turbinenauslastung!

 

der Paraná wird im Itaipu-Stausee auf eine fläche von 1.350 km² und auf etwa 170 km länge aufgestaut. bei seinem maximalen stauvolumen von rund 29 milliarden kubikmetern erreicht dessen fläche sogar 1.460 km². damit ist der see zweieinhalb mal so groß wie der Bodensee. die dazugehörige Itaipu-Staumauer ist 7.760 m lang und 196 m hoch.

 

das kraftwerk ist ein gemeinschaftsprojekt zwischen Paraguay und Brasilien, welches 1973 vertraglich fixiert wurde. der bau wurde 1974 begonnen und 1982 (bauwerk) bzw. 1991 (18. turbine) fertiggestellt.  seit mai 1984 gingen jährlich bis zur fertigstellung zwei bis drei der turbinen ans netz. 2007  wurde nach der erweiterung um zwei turbinen die fertigstellung des projekts verkündet. ca. 34.000 arbeiter waren beschäftigt, 145 menschen kamen bei den bauarbeiten ums leben.

 

für Brasilien, welches vertragsgemäß die gesamtanlage finanzierte, führte der bau mit etwa 3,6 Mrd. US-Dollar (zu dem Zeitpunkt)[ zu einer deutlich höheren auslandsverschuldung. allerdings ist Brasilien, welches nach der inbetriebnahme etwa ein viertel seines stromverbrauchs von Itaipú bezieht, auf das Kraftwerk angewiesen. Paraguay hätte das riesenprojekt nicht selbst finanzieren und organisieren können und bezahlt seinen anteil der erstellungskosten durch den export des nicht benötigten stroms an Brasilien, das damit einen teil seiner schulden tilgt.

 

(übrigens gibt es weiter flussabwärts im süden Paraguays, an der Grenze zu Argentinien, ein weiteres, riesiges wasserkraftwerk am Paraná namens Yacyretá und einer leistung von 4.000 megawatt. welches nach ähnlichem muster als argentinisch-paraguayisches gemeinschaftswerk von Argentinien vorfinanziert wurde.)

 

die nennleistung der insgesamt 18 Francis-Turbinen in Itaipu betrug bis 2004 12.600 megawatt. 2004 wurde die anlage um zwei turbinen erweitert; die gesamtkapazität des Kraftwerkes beträgt seit 2005 14.000 MW.

das "regelarbeitsvermögen" bei einem wasserdurchfluss von durchschnittlich 10.500 m³/s beträgt 95 terawattstunden (= 95.000 gigawattstunden = 95 mio. megawattstunden) jährlich. 2008 wurde mit 94,68 terawattstunden die bis dahin höchste realerzeugung eines wasserkraftwerkes weltweit erreicht. 2012 waren es bereits 98,287 und 2013 wurde mit 98,630 terawattstunden eine neue höchstmarke erreicht. damit deckte Itaipu 2013 den elektrizitätsbedarf Paraguays zu 75 %, von Brasilien zu 16,9 % ab.

 

der sauberen energieerzeugung durch wasserkraft stehen jedoch auch negative aspekte gegenüber. auch wenn die relation zwischen dem eingriff in die natur und dem nutzen aufgrund der enormen menge der produzierten energie bei Itaipu im vergleich zu anderen wasserkraftwerken günstiger ist, hat seine errichtung die umwelt irreparabel verändert. einige tausend ureinwohner verloren für immer ihre heimat, insgesamt mussten etwa 40.000 menschen – vor allem Guarani-Indianer – umgesiedelt werden. für die errichtung der talsperre wurden große flächen subtropischen regenwalds abgeholzt. noch größere flächen verschwanden ebenso in den fluten wie auch die wasserfälle Sete Quedas bei Guaira, die denen des Iguazu nahezu ebenbürtig gewesen waren. und doch ist der umweltschaden verhältnismäßig gering, wenn wir es mit den verherenden folgen der atomkraft vergleichen, wie sie uns nun über japan und Fukushima heimsuchen werden.

 

 

2 stunden noch bis bording... genug, um den Parque des Aves, den berühmten vogelpark von Foz de Iguaçu zu besuchen, der nur 5 min. vom flughafen entfernt ist.

dieser park hat einen guten zweck. 50% der vögel wurden und werden aus misslichen umständen gerettet und gesund gepflegt. 43 % der vögel wurden bereits im park geboren. wo möglich, werden vögel in die freie natur entlassen. in artenerhaltung wie auch in der forschung genießt der park ein hohes ansehen. als unabhängige institution lebt er von den eintrittsgeldern der besucher.

das besondere an diesem park ist, dass man in riesige käfige hineingehen und dort mit den vögeln in direktem kontakt treten kann. alle besucher tun dies in in achtsamer und respektvoller art und weise, die vögel honorieren es mit nichtvorhandener scheu. ich bin begeistert von der buntheit und nähe der vögel!


21. februar

 

...morgen geht es weiter auf unseren nächsten tripp nach Iguazu. wir bereiten wieder alles vor und reisen - wie üblich - nur mit handgepäck. es ist sehr heiss und schwül. jeden tag regen und ca. 35°C. Harald macht sich mit seiner neuen gipshand vertraut und schaut, was er an bord trotzdem tun kann. das boot steht hier völlig sicher, sodass wir wirklich beruhigt wegfahren können. der marinacomandante hat uns 10% nachlass gewährt, aber niemand scheint hier sehr streng im geschäftsgebahren zu sein. keiner fragt, ob und wann wir zahlen, wie lange wir bleiben etc. bei diesen dingen sind die Brasilianer sehr entspannt.

also auf zu neuen abenteuern!

 

20. februar

 

die geschichte meiner sehnenscheidenentzündung

 

nach freudvoller arbeit am sonnenschutz für das deckshaus, das 150 schrauben benötigte, verspürte ich danach nur ein leichtes kribbeln in meinem rechten handgelenk. bald aber stellte sich ein schmerz ein, den ich noch wenig bedeutung beimaß. das war in Lipari ende september. nachdem ich die hand nicht ruhig stellte ...keine bandage verwendete... wurde der Schmerz  immer stärker und zog sich bis zur unerträglichkeit monatelang dahin. Bald schon  machte ich mehrere versuche, die hand ruhigzustellen, aber  das leben an bord ließ es  nicht immer zu.... jetzt haben wir brasilien erreicht und obwohl Conny und meine crew mich bestens unterstützten und die meisten schweren arbeiten an bord übernahmen, kam es doch immer wieder zu überbeanspruchungen ... Hier in recife hatte ich endlich raum, und die möglichkeit meine hand behandeln zu lassen und mir einen gips zu beschaffen.

 

gemeinsam mit Conny fuhr ich in eines der guten örtlichen krankenhäuser. doch die bürokratie bis zur behandlung und die kosten für krankenhausgebühr, untersuchungs- und gipsgebühr sowie fehlende dokumente hat uns veranlasst wieder umzudrehen und auf das schiff zurückzukehren. dann gingen  wir eine woche lang auf landausflug und ich konnte dabei meine hand zwar ein wenig schonen - aber es hat sich dadurch  auch nicht viel verbessert. die schmerzen blieben.

in der marina traf ich einen mechaniker, dessen nebenjob es war, verletzte tiere in einem tierschutzverein zu versorgen und auch das eingipsen von brüchen beherrschte. da kam mir der gedanke, ob wir nicht gemeinsam auch meine hand eingipsen könnten. er versprach mir, am nächsten tag mit gips und faschen in der marina aufzutauchen.

das geschah leider nicht. und so beschloss ich, doch einen orthopäden aufzusuchen - und fuhr in das krankenhaus, das man  mir nannte:

 

Hospital Da Restauracao.

das ist die kostenlose medizinische versorgung für die armen menschen in Brasilien. dort angekommen, entdeckte ich im riesigen warteraum eine bunte, zerlumpte, arme  menschenansammlung, wo gehustet, geweint, geschrien, laut diskutiert und gestikuliert wurde. menschen aus den Vavelas.  es war schwierig, da keiner englisch sprach, mich mit meinen spanisch-italienisch-portugiesischen sprachgemisch bis zur aufnahme vorzukämpfen. dort allerdings wurde ich freundlich aufgenommen, jedoch dauerte es einige zeit, bis ein englisch-sprechender arzt gefunden wurde. der erklärte mir allerdings gleich, nachdem er erfuhr, worum es ging, dass ich leider in ein anderes in der nähe gelegenes krankenhaus fahren müsste. dort sollte ich meinen gips bekommen. aber davor belehrte er mich noch, wenn ich wieder aus dem krankenhaus rausgehe, aufzupassen, nicht überfallen zu werden... es wäre sehr gefährlich in dieser gegend und ich sollte schnell in ein taxi einsteigen. was ich dann auch tat. als ich den rauchenden grimmig aussehenden fahrer näher betrachtete, fühlte ich mich bei dieser fahrt durch immer enger werdende  dunkle gassen nicht mehr wirklich sicher. dachte schon „der führt mich jetzt zur schlachtbank“ die fahrt dauerte lange und ich musste zweimal nachfragen, ob wir wohl richtig sind, was der fahrer mit „bono, aqui, aqui...“ abtat... und tatsächlich stoppte er gleich darauf an einem nicht gerade einladenden ort...

 

wieder bot sich mir ein ähnliches bild wie im ersten krankenhaus, doch auch hier gelang es mir, um die warteschlangen herum recht schnell in die aufnahme zu gelangen. als erstes wurden meine daten aufgenommen. interessant war, dass die einzige  frage, die sie mir stellten, die frage nach dem vornamen meiner mutter war. .als ich „Hermine“ hinschrieb, lachten beide sekretärinnen, die kein wort englisch konnten. danach kam ich zum orthopäden, der auch kein englisch sprach und ich mit meinem kauderwelsch meine krankengeschichte erklären musste. er tippte das in seinen computer. danach wurde ich in ein behandungszimmer gebracht, wo leute in reih und glied an infusionen hingen. auch hier waren es durchwegs runtergekommene, unappetitliche menschen in schmieriger kleidung, wo brüste, bäuche und ärsche herausquollen. es war mir nicht gleich klar, dass auch ich eine infusion kriegen sollte und ich musste 40 minuten lang dieses tröpferlding über mich ergehen lassen. argwöhnisch hatte ich die krankenschwester beobachtet, ob sie wohl sterile neue nadeln verwendet. da neben mir eine dreikröpfige alte frau hustete, rotzte und keuchte., bat ich um einen mundschutz, der mir auch gleich gebracht wurde. zu meiner belustigung setzten sich danach auch alle anderen behandelnden schwestern einen auf. „nichts wie weg von hier“ dachte ich und  zählte die letzten tropfen meiner infusion. die schwester reagierte auf meinen hilfeblick, befreite mich von der kanülle und begleitete mich bis zur tür des gipskabinets.

 

beim warten in der halle bot sich mir ein buntes treiben. ein junger mann wurde in handschellen von zwei polizisten durch den raum geschupst, sein t-shirt über seinen kopf gestülpt. in den armen ihrer mutter jammerte ein ca. 16jähriges mädchen, das sich mit schmerzverzehrtem gesicht den unterbauch hielt. ein rollbett mit einem bewusstlosen verwahrlosten mann wurde gebracht, der plötzlich erwachte und fürchterlich zu brüllen und um sich zu schlagen begann. man schnallte ihn am bett fest und schob ihn in ein angrenzendes  zimmer.

 

der gipser war ein lustiger, sehr korpulenter kerl um die 150 kg. er behandelte gleichzeitig mit mir auch noch eine frau, die eine ähnliche verletzung hatte. wie am fliesband fertigte er gipsrollen an und bandagierte uns abwechselnd ein. ich versuchte ihm zu erklären, dass meine finger beweglich bleiben müssen..er lachte und fragte schellmisch wofür... worauf ich antwortete „ per mia donna“ ... erneut lachte er und sagte etwas auf portugiesisch zu der frau worauf diese neben mir beschämt wegschaute. ich fühlte mich berufen, ihr zu erklären, dass ich die finger brauche, um meine freundin am kinn kraulen zu können und machte das mangels sprachkenntnisse gleich bei ihr. das erzeugte erneut ein gelächter beim gipser und ein entspanntes lächeln bei der frau. in der zwischenzeit stülpte er über unsere hände eine weiche manschette, legte jeweils eine gipswurst auf die handunterseite und befestigte sie dann mit mehreren faschen am unterarm. dann bekamen wir beide gleichzeitig eine armschlinge um den hals und wir verabschiedeten uns in afrikanisch-karibischer art: fäuste zusammenstoßen und danach die hand aufs herz - was dem gipser erneut ein lachen entlockte.

 

da ich heute schon viel geld für taxis ausgegeben hatte, wollte ich mit öffentlichen bussen die rückreise zur marina antreten. Aber als ich mein Geld aus der hose holen wollte ...war da die gipshand, die dies nicht zuließ. also stieg ich erneut in ein taxi ...und bezahlt wurde umständlich mit hilfe des torwächters in der marina  der seine hand in meine hose stecken musste.

jetzt sitze ich mit der hand in der schlinge im cockpit und hoffe, dass damit die geschichte zu ende ist.

 

die moral von der geschicht – unterschätze die schmerzen deines armgelenks nicht! 

17. februar

 

...ich meine, dass ich fliegen kann und wir buchen einen flug zurück zum boot... dort erwarten uns wieder klarschiffmachen und weitere reisepläne. nach ein paar tagen an bord geht es zu den Iguazu-wasserfällen, die größten der welt. ein teil meiner familie lebt dort und ich werde sie das erste mal besuchen!

16. februar

 

Salvador de Bahia.

 

...eine stadt mit vielen facetten. groß, laut und heruntergekommen. erstmals sehe ich hochhausruinen. und eine dermaßen starke polizeifrequenz, wie es anderorts nur bei einem staatsbesuch der fall ist. nach und nach erkunden wir die menschen und die stadt. die altstadt „Pelourinho“ ist wunderschön mit ihren alten kirchen, brunnen und häusern. doch auch gefährlich... am abend ist man als fremder nur in den hellen, beleuchteten gassen sicher. die untere stadt, die nur durch einen gigantischen lift mit der oberen verbunden ist, werden nach einbruch der dunkelheit regelmäßig touristen ausgeraubt. selbst die einheimischen meiden dunkle gassen. also halten wir uns an die regeln. 

 

 

15. februar

 

einzig die aussicht aus dem fensterlosen dachfenster ist herrlich - in den park der medizinischen universität mit mächtigen palmen. und der preis war sehr gering. 10,- euro die nacht. das frühstück war auch in ordnung. 

trotzdem wollte ich weg in ein zimmer, wo ich mich wohl fühlen und auskurieren könnte. also gehen wir auf suche. und ziehen schließlich in ein mittelpreisiges sehr geschmackvolles, sauberes kleines „Hotel Café Bahia“ um. 

 

ich dusche mich nach ewigkeiten wieder einmal heiss und kuschel mich in die weissen laken, nehme hustensaft (mein husten hört sich mittlerweile ziemlich schlimm an!) und schlafe friedlich ein... 

 

14. februar

 

ich möchte noch so gerne bleiben und verlängern, aber leider ist kein zimmer mehr frei. ich bin zwar nicht gesund, aber wieder soweit hergestellt, dass ich reisen kann. am weg zum bus treffen wir unseren 70jährigen tourguide, der gleich herüber eilt und meint: „hey! I do a three-day-hiking-tour, come on, let`s go!“ ... leider muss ich ablehnen. aber in mir hat sich der feste vorsatz gebildet, noch einmal im leben hierher zu kommen und länger zu bleiben.

 

die busfahrt war angenehm wie immer. 

 

in Salvador hatten wir dort ein zimmer gebucht, wo Gerhard gebucht hatte, in der „Pousada Meson“. und als wir die endlich finden, bin ich in meinem zustand ziemlich fertig - es ist eine ziemliche absteige. nicht besonders sauber, alt, hässlich und unbequem. unterm dach extrem heiss, die klima funktioniert nicht, der deckenventilator bläst mich fast weg... es wird eine unruhige, schlaflose nacht.

12. februar

 

heute ziehen wir alleine ohne guide los. wir fahren ins blaue und landen „zufällig“ bei einem botanischen garten, der für universitäre zwecke genutzt wird. wieder sind wir die einzigen, hierher verschlägt es nur vereinzelt wanderer, und der gärtner freut sich sehr über unseren besuch. er zeigt uns all seinen stolz. die hier heimischen orchideenarten mit ihrem süßen duft in herrlichen farben. der garten ist liebevoll angelegt und er arbeitet hier schon 24 jahre lang. wir sehen auch Weißbüschelaffen, die scheu in den bäumen leben.

 

an einer trinkwasserquelle können wir uns erfrischen bevor wir uns von dem netten gärtner und seinen papageien verabschieden. eine halbe stunde zu fuß soll es ebenfalls einen schönen kleinen wasserfall geben, wo wir baden können. also machen wir uns auf den weg.

die hitze ist enorm und ich merke, wie meine abwehrkräfte gegen die verkühlung schwinden. wir erreichen, umgeben von einer grünen wand ein großes wasserbecken im fluss in das ein 5 meter hoher wasserfall stürzt. Harald hechtet gleich in die fluten, schwimmt unter das herabstürzende wasser und stößt freudensschreie aus. ich gehe nur mit den füßen ins wasser, um meine bronchien nicht noch mehr zu belasten und mache bekanntschaft mit Putzerfischen, die nicht immer sanft meine füße anknabbern! hey!

 

wieder on tour essen wir eine kleinigkeit in einer pousada an der straße und beschließen in 60 km entfernung eine der berühmten grotten zu besuchen. die „Lapa Doce“...

 

oh ja! es ist immer ein aufregendes gefühl, in eine höhle hinabzusteigen! so auch hier. 

dieses gebiet im nordwesten der Chabada hat über 300 höhlen, eine schöner als die andere... manche haben vorgeschichtliche felsmalereien, andere kristalle oder seen in sich. jede ist beeindruckend - diese hier soll eine der schönsten sein, weil wir sie 1 km durchwandern können. in völliger dunkelheit. nur mit lampen. 

 

unzählige tropfsteine hängen von der decke. der guide ruft mir in erinnerung, dass 1cm ca. 40 jahre wachstum braucht. wir stehen hier millionen jahre alten skulpturen gegenüber, die die natur uns offenbart. ehrfurcht.

 

mit 17 war ich in der Dachstein- Tropfsteinhöhle. damals mit ca. 30 anderen leuten im gänsemarsch. es war auch beeindruckend. aber mit kindergeschrei ist es nicht immer so einfach einzutauchen in die mystik eines ortes. 

hier sind wir wieder nur wenige leute, die sich frei in der höhle bewegen können, aber gerne dem guide folgen, weil nur er den weg kennt.

im mittleren abschnitt des unterirdischen weges wies er uns an, alle lampen auszumachen, um zu erleben, wie dunkel es wirklich in der höhle ist. - ja, es ist stockdunkel, zappenduster, schwarz. man sieht die hand vor den augen nicht. ... und jedem ging durch den kopf, was er wohl täte, wenn er kein licht mehr hier hätte...

viel zu früh steigen wir aus der kühlen erde wieder ans heisse sonnenlicht. 

 

ich möchte die berge nochmal sehen... Harald möchte irgendwo schwimmen. also fahren wir zu einem weiteren wasserfall, den uns unser guide empfohlen hat. und wieder tut sich ein eigenes wasseruniversum vor uns auf. und ich kann nicht widerstehen, doch ins wasser zu gehen. mit folgen, wie sich sogleich herausstellt. 

das wetter schlägt um und der himmel zieht zu. wind kommt auf... am fuße der tafelberge spüre ich meine bronchien und glieder... oje. ich hätte nicht schwimmen sollen. ich würde es nur unter extremer anstrengung auf den berg hinauf schaffen - und heute gibt es keinen sonnenuntergang zu sehen, der himmel ist zu. wir hatten laut guide gestern großes glück mit dem wetter und einen phänomenalen sonnenuntergang. 

 

also geht es zurück in die pousada... wo ich schon merke, dass ich ins bett gehöre. 

leider sollte ich den ganzen nächsten tag da verbringen. 

 

 

...aber es gibt schlimmeres, als in einem feinen bettchen den tag vergehen zu lassen.

 

11. febraur

 

wir sind aufgrund der tageszeit und route die einzigen, die bei der Poco Encantado, einem höhlensee ankommen. (Poco Azul hat derzeit wegen der unwetter kein klares wasser) allein gehen wir die steilen holzsteige hinab in das wasser hinein und erleben eine uterusähnlichen zustand im berg... ruhig und wunderschön... nur leider sehr dunkel, sodass kaum fotos möglich sind. wir müssen schwimmwesten tragen, was ich zuerst nicht so gut fand, doch jetzt kann ich mich schwerelos im wasser tragen lassen... nur eine lichtquelle gibt es von einem loch in der höhlendecke... und das wasser verschwindet in verschiedene gänge bergeinwärts, die wir nicht beschwimmen dürfen. doch es reicht hier in diesem bergbauch zu liegen und zu spüren...

 

...wieder im auto geht es die metertief ausgeschwemmte erdstraße retour bis zu einer der wenigen asphaltstraßen. unser tourguide sagt wo es lang geht, nicht was unser nächstes ziel ist - wie bei der höhle will er uns überraschen. 

verkehrsregeln gibt es nicht wirklich. man fährt so schnell wie man meint. pkw fahren ca 160 km/h und lkw bis zu 120 km/h, wobei es hier bis zu 30m lange transporter gibt, die zu überholen nicht so einfach ist.

 

am eingang zu einer noch schlimmeren erdstraße mit enormen gruben und löchern übernimmt der tourguide den fahrersitz. er kennt die straße. 

er erzählt uns, wie glücklich wir sein können, gerade jetzt hier zu sein. vor nicht mal 2 wochen waren tausende menschen in der chabada, die alle in ihren ferien vor dem carneval in den städten geflüchtet sind. jetzt ist nichts los. ein glück ist es auch, dass die überschwemmungen aufgrund der unwetter vor 10 tagen zurück gegangen sind und die flüsse jetzt alle schön viel wasser haben, aber auch gut erreichbar sind.

die straße hier sieht so aus, weil sie noch vor kurzem unter wasser war.

 

plötzlich bleibt er stehen und weist uns an auszusteigen und ihm zu folgen. aber keinesfalls nach rechts zu schauen bevor er es sagt. wir tun, was er möchte - und als er „now look!“ sagt, wenden wir unsere köpfe und sind erfürchtig vor der landschaft. eine spalte im berg tut sich auf und ein wunderschöner großer wasserfall stürzt dort hinunter. 

Cachoeira de Mosquito.

 

wir wandern hinunter... über wasserbecken, kleinen wasserfällen und steile felswege. direkt in der felsspalte wirkt der wasserfall noch imposanter. warum der name?

es geht ein starker wind hier unten, den das wasser erzeugt und wir nähern uns nur langsam dem giganten... das wasser ist glasklar, hat aber eine kupferne farbe, die den grund nicht sehen, nur ertasten lässt. als ich bemerke, dass es möglich ist, hinter den wasserfall zu gehen, hüpft mein herz vor freude. mit meiner erkältung, die noch nicht ganz ausgeheilt ist, ist es zwar nicht vernünftig - aber um nichts in der welt würde ich mir das entgehen lassen. 

gegen den wind und kleinen steinchen, die vom wasser mitgeschleudert werden kämpfen wir uns voran, klettern den fels hinauf und schlüpfen seitlich hinter die wasserwand die donnernd herabstürzt und die kein mensch unverletzt durchbrechen kann. hinter dem wasserfall ist es zunächst windig in die andere richtung... das wasser wird in kleinsten tropfen von unten nach oben geschleudert, sodass man kaum luft bekommt - es sieht aus wie unzählige mosquitos! aber weiter hinten wird es etwas ruhiger und plötzlich fühle ich mich unglaublich... es ist warm und ich fühle mich hochgehoben... ein einheimischer kommt ebenfalls nach hinten mit einer weissen frau, die etwas ängstlich aussieht. sie hält sich die hände vors gesicht. er stellt sich neben mich wirft die hände in die höhe und stößt einen freudensschrei aus... ich stimme ein und wir schreien gemeinsam... die frau hat immer noch die hände vor dem gesicht... ich nehme sie bei der hand und ziehe sie zu mir rüber... jetzt wagt sie die hände wegzunehmen und ist hin und her gerissen zwischen angst und begeisterung...

ich gehe insgesammt drei mal hinter die wasserwand und würde am liebsten dort bleiben... es ist nicht zu beschreiben, aber dieser ort gehört zu den stärksten kraftplätzen, die ich je erlebt hatte. und ich war schon hinter einigen wasserfällen... doch keiner war so kraftvoll wie dieser hier. 

 

schweren herzens trenne ich mich von dem ort und klettere mit den anderen den steilen pfad hinauf, zurück zum einstieg. immer, wenn ich in der natur unterwegs bin, sind meine sinne ganz aufmerksam und ich sehe immer viele dinge, an denen andere vorüber gehen. so jetzt eine schlange, die gerade eine viel zu große echse gepackt hat und erfolglos versucht, sie irgendwie hinunter zu würgen - was sich als unmöglich herausstellt, weil die echse erstens viel zu groß und zweitens quer im maul steckt. unser tourguide kommt hinter mir nach und nimmt die schlange mit einer hand hoch... sie ist ungiftig. und wunderschön.... zitronengelb-ockerfarben, dünn wie ein finger und eineinhalb meter lang. echsen gehören normalerweise nicht zu ihrem speiseplan, was immer diese dazu veranlasst hat, es doch zu versuchen. ich nehme sie auch in meine hände und lasse sie durch die luft schlängeln... sie will natürlich nichts wie weg... und nach eingehender betrachtung lasse ich sie zu boden gleiten, wo sie binnen sekundenbruchteilen lautlos verschwindet. 

an den oberen wasserbecken bade ich noch einmal im flaschen wasser, bevor wir wieder ins auto steigen und nun richtung berge fahren....

 

 

die Tafelberge der Chabada Diamantina.

...man kann sie nicht beschreiben - man muss sie sehen. 

 

oben auf dem plateau zu stehen und in diese unendlich schöne weite landschaft zu blicken lässt jeden menschen raum und zeit vergessen...

 

 

10. februar

 

nach mehreren recherchen und überlegungen kommt Harald zu dem schluss, das boot doch lieber hier in der gut bewachten marina zu belassen anstelle es 600 km weiter südlich in Salvador da Bahia in die weniger sichere marina zu segeln. er hätte keine ruhe bei den landausflügen. so entschließen wir uns, von hier aus unsere landtripps zu planen.

erstes ziel ist die Chabada Diamantina - der angeblich schönste ort Brasiliens. wir buchen einen flug nach Salvador und einen bus nach Lencois - dem ausgangsort für wanderungen und touren. Gerhard, der noch an bord ist, möchte uns dorthin begleiten und danach eigene wege gehen.

 

ich bin leider von den grauenhaft kalten klimaanlagen total verkühlt und als wir mitten in der nacht am flughafen warten, beginnt die nase so richtig zu rinnen... in einer drogerie erstehe ich hustenzuckerln und taschentücher und mumme mich ein. 

der flug in dem kleinen flieger ist angenehm, aber beim landeanflug beginnt mein ohr wie verrückt zu stechen... die nebenhöhlen sind verlegt und ich kann keinen druckausgleich  machen :( 

erst am boden geht das ohr mit einem kräftigen nieser auf. gottseidank.

wir erreichen knapp den anschlussbus nach Lencois und haben eine klimatisierte 7 -stündige Fahrt in bequemen sitzen vor uns. 

die überlandbusse in Brasilien sind wirklich empfehlenswert - oft jedoch teurer als ein inlandsflug.

es wird bald grün vor unseren fenstern und langsam tauchen am horizont gebirgsketten auf... seen und flüsse... rinderherden und jede menge kakteen. bald wird der dschungel immer dichter und nach einer fahrt über eine schlaglöcherübersäten straße sind wir da.

 

Lencois, ursprünglich von diamantschürfern gegründet, entpuppt sich als ein malerischer kleiner ort mit alten gassen, netten alten häuschen und viel grün und wasser rundherum. die pousada, die ich im internet ausgesucht hatte, ist sauber, idyllisch und die besitzer sprechen sehr gut englisch. wie immer nach langen schiffsreisen ist ein zimmer mit bett ein unglaubliches raumwunder! und ich genieße es, in einem großen, weichen bett mit herrlich frischen weißen laken zu liegen mit mehr als einem halben meter raumhöhe über mir. 

 

gleich lernen wir den 70jährigen, rüstigen vater der beistzerin kennen, der immer noch wandertouren macht und seit 35 jahren hier lebt. er ist ursprünglich grafiker und journalist, fuhr als copilot autorallys und änderte sein leben vor 35 jahren gravierend von einem schnellen, hektischen zu einem ruhigen, naturverbundenen, als er sich in Lencois niederließ. eine ehe und eine tochter folgten. 

 

mit ihm unternehmen wir unsere erste tagestour. mit mietauto, denn unser erstes ziel ist über 100 km entfernt. 

 

5. februar

 

wir erkunden die stadt, die einst eine wahre pracht gewesen sein muss! die alten, wunderschönen häuser werden so gut es geht renoviert, aber viele verfallen und geben ein traurig-romantisches bild aus alter zeit ab. 

wir inspizieren den gemüsemarkt und freuen uns nach unseren afrikanischen zeiten über reiches angebot und günstige preise :) 

die menschen sind freundlich und lassen auch mit sich handeln. 

 

doch mehr und mehr gerät recife in den ausnahmezustand... der Carnval nähert sich dem höhepunkt! und Recife gilt als die stadt mit dem größten straßenkarneval der welt! 

...die stadt wird dafür in einen schutzmantel gelegt... die straßen sind so voller menschen, dass man teilweise eingezwängt ist und damit der strom keine fenster eindrückt, werden manche häuser verplankt... 

die kostüme sind mit enormen aufwand vorbereitet... jede gruppe hat ihre verkleidung und choreografie einstudiert... die rhythmen sind heiss! eine riesige bühne bietet 300 decibel und eine grandiose lichtshow... die menschen auf der straße tanzen und trinken nicht wenig... alt und jung feiert, was das zeug hält...

man wird mitgerissen und kommt aus dem schauen nicht raus...

 

von umweltbewusstsein ist auch hier nicht viel zu spüren... alles wird einfach auf die straße geworfen, die räumungsdienste arbeiten auf hochtouren und werden von den ärmsten der stadt unterstützt, die aludosen und plastikflaschen sammeln und so zu einnahmen kommen...

 

wir besuchen auch kurz Olinda, den schönsten stadtteil von Recife... grün auf einem hügel vor der stadt. hier war früher ein sklavenmarkt und heute sind hier viele künstler ansässig. 

da geht es etwas gemütlicher zu als in der großstadt und wir plaudern mit einem brasilianer, der seit jahren in Neuseeland lebt... er gibt uns viele tipps und infos über seine beiden heimatländer.

 

unsere wege legen wir mit taxi und bussen zurück... der fahrstil der busse ist exakt wie der "zauberbus" in "Harry Potter" - sich im stehen festzuhalten gelingt nur, wenn man wegen überfüllung nicht mehr umfallen kann!

 

wir lernen den einzigen ausländischen skipper in der marina kennen - ein engländer, der für einen holländischen eigner segelt. mit einer 30 meter langen monoyacht, 70 tonnen schwer... er hatte wassereinbruch bei den fenstern während er mit 12 knoten in gekrängter lage dahinsegelte! er will nach Trinidad, um einige reparaturen machen zu können... denn in brasilien ist da nichts zu machen...

 

...so kehrt marina-bordalltag ein... und wir bekommen wieder lust aufs meer... und wollen weiter nach Salvador de Bahia...

 

31. jänner

 

Bom Dia Brazil! Bom Dia Recife!

 

es ist sonntag und schon um 7 uhr früh ist es sehr heiss! die marina ist ausgestorben.... Harald versucht infos für die einklarierung zu bekommen... Erik und Wolfgang gehen ins nächste einkaufszentrum geld wechseln etc. - dort ist die hölle los! 

 

1. bis 3. februar

 

die crew scheidet langsam und schwer... Wolfgang wollte noch weiter mit segeln, aber wir müssen erst einige tage hierbleiben und besorgungen, reparaturen, behörden etc. erledigen - das ist ihm dann doch zu lange und er besorgt sich einen flug.

Erik fliegt am 3. nach Rio, wo er seine freundin trifft. Cathrin hat sich ein schönes zimmer in Olinda besorgt und Gerhard bleibt noch an bord und will bei reparaturen helfen. 

 

 

Einklarieren in Recife - ein kompliziertes Unterfangen!

 

Mit einem Segelboot in ein Land zu reisen bedeutet, dass man Behördenwege zu erledigen hat. Je nach Land kann dies einfach oder auch sehr komplex werden. Manche sind auch sehr millitärisch, andere sehr kulant. Hier in Brasilien ist es keines von beiden – sondern vielmehr ein Spießrutenlauf durch einen Behördendschungel, in dem sich die Dschungelbewohner selbst nicht auskennen.

 

...wir haben einen Liegeplatz in der einzigen, wintzigen Marina in Recife ergattert und von der nicht englisch sprechenden Büroangestellten einen Zettel erhalten, wo wir einklarieren müssen. Drei Instanzen stehen auf dem Papier. Policia Federal – Receita – und Capitaneria.

Also halten wir zwei Taxis auf, um zur „Policia Federal“ zu fahren. Da die gesamte Crew persönlich erscheinen muss, brauchen wir zwei Fahrzeuge! Es dauert ein wenig, bis wir merken, dass der Taxifahrer keine Ahnung hat, wo er hin muss. Immer wieder befragt er andere Taxifahrer nach unserem Ziel... fährt einige Irrwege (die wir natürlich zahlen müssen) und landet schließlich bei dem großen Polizeidepartment. Dort werden wir jedoch wieder weg geschickt... wir müssen zu einer anderen „Polizei“... der „Policia Federal Maritima“ - eh klar. Warum uns die Marinaangestellte das nicht so aufgeschrieben hat!? Nun gut, diese findet der Fahrer nun gar nicht... also fährt er uns einfach zu der Capitaneria - aber dorthin wollten wir nicht, weil wir zuerst zur Policia müssen! Egal - wir müssen aussteigen. Also versuchen wir hier wider besseren Wissens unser glück. Aber natürlich werden wir auch hier wieder weg geschickt mit der Wegbeschreibung zur „Policia Federal Maritima“ ... die wir nun zu Fuß aufsuchen. 20 Minuten bei 40 ° im Schatten. Uff!

Endlich dort angekommen will uns die Torwache nicht reinlassen und zum Flughafen schicken. Der Google-Übersetzer des Torwächters sagt uns: „heute ist die „Immigration“ am Flughafen und nicht hier!“  Sch.....!!!! Glücklicher weise zeige ich dem wachhabenden den handgeschriebenen Zettel der Marinadame, wo auch „Receita Federal“ draufsteht. „Receita aqui, si!“ – Also doch. Wir werden alle sechs Personen mit Pass registriert und eingelassen. Wir gehen zu den Barackenbauten... die erste Tür schickt uns weiter zur nächsten. die nächste ist zugesperrt und ein Zettel hängt draußen - gottseidank auf englisch! Darauf steht, dass einreisende Segler diese Tage zum Flughafen zur Policia Immigratione“ müssen. Während wir noch lesen und überlegen... geht die Gittertür auf und ein kleiner, älterer Mann mit Brille meint nur stoisch: „Aeroporto!“ ...wir brechen alle in Gelächter aus und er lacht mit... „Si si, we know... Aeroporto! e donde es receita?“ ... Er zeigt mit dem Finger auf die nächste Barracke und deutet einen Halbkreis... die Tür ist auf der anderen Seite. „Obrigado!“... wir gehen weiter.

Beim Receita (Zoll) angekommen, freuen wir uns über die guten Englischkenntnisse des Beamten! Gleich können wir alles erzählen... aber es hilft nur wenig. er kann uns das Formular nur geben, wenn wir vorher bei der Policia waren... und die ist am Flughafen... derzeit. Er schüttelt den Kopf, dass das keiner weiß... denn es wurde an alle Häfen und Marinas ausgeschickt und sollte dort aushängen... „Typical Brazil!“ meint er. 

Er kann uns auch nichts geben, denn sein Internet ist - wie überall hier – vom letzten Gewitter - zusammengebrochen und geht derzeit nicht. abgesehen davon muss er auf unser Boot kommen. Na bravo. Also vereinbaren wir einen raschen Termin in zwei Tagen um 10 Uhr und gehen von dannen... 

 

Wieder mit zwei Taxis geht es jetzt in die andere Richtung zum Flughafen. Wir verhandeln einen guten Preis inklusive Wartezeit und Rückfahrt. 

Am Flughafen eilen wir durch das gesamte Gebäude bis wir die „Policia Federal Immigration“ gefunden haben und werden in das letzte Hinterzimmer weitergeschickt.... Dort ist man erstaunt... auf unsere Frage, ob wir hier richtig sind hören wir „May be“ und müssen erneut lachen!

Aber die Beamten sind sehr nett und bemühen sich... rufen irgendwo an und - ja, wir bekommen die Einreisebestätigung! :))) und den Stempel in unsere Reisepässe.

 

Glücklich checken Erik und Wolfgang gleich ihren Weiter- und Rückflug, Cathrin holt Kaffee und alle wechseln und heben Geld ab um endlich liquide zu sein. Ich kaufe auch noch eine Internetkarte. (Verständigung ist in den Flughafenshops nur mit Übersetzungs-app möglich. Englisch spricht hier sogut wie niemand.) 

Wieder im Taxi geht es jetzt wieder zur Capitaneria. doch der Mann im Büro will wieder ein Formular, das wir nicht haben und will uns zur Policia Federal schicken!!!!!!

Er versteht kein Englisch und gottseidank holt er eine Übersetzerin... die hilft uns nun, ihm verständlich zu machen, was wir bereits hinter uns haben. aber er sitzt nur da, schüttelt den Kopf und zeigt immer wieder auf das Formular, das er braucht... sonst kann er gar nichts machen. 

 

Wir klären zumindest, dass die Crew nun entlassen ist und von Bord kann – und auch nicht mehr überall hin mitkommen muss. 

Die Übersetzerin, Alexandra, ist sehr nett und fühlt mit uns. Sie meint, wenn es gar nicht geht, dann sollen wir wieder kommen und sie spricht mit einem höheren Vorgesetzten. Sie schreibt uns auch auf einen Zettel das Formular auf, das wir hier brauchen.

Also ziehen wir wieder von dannen - hungrig und durstig auf der Suche nach einem Restaurant. Wir werden in der Altstadt fündig - die hier typischen Buffet-Restaurants... und essen ganz gut und reichlich bei einem netten Wirtsehepaar.

 

Jetzt müssen wir abwarten, bis der Zollbeamte an Bord war. 

 

bis dahin erkunden wir die stadt, kaufen ein wenig ein... reparieren das Genuafall und einen gebrochenen Wantenspanner... waschen wäsche und aklimatisieren uns in der marina.

 

Mittwoch 9.45 kommt der Zollbeamte aufs Boot. Er ist sehr nett und will nur ein Foto machen, schaut nicht ins Innere. Er schüttelt wieder den Kopf über die Behörden... denn das Formular, das uns vom Beamten in der Capitanieria genannt wurde, ist das falsche, wir bekommen von ihm heute Nachmittag in seinem Büro das richtige. Mit diesem müssen wir dann zur Capitaneria... und dann sollte es erledigt sein. 

 

Sein Wort in Gottes Ohr!

 

Nachmittags fährt Harald nochmals in das "Receita-Office" und muss selbst am Computer alle Daten eingeben. Mit einem Ausdruck geht es nun wieder zur Capitaneria... und siehe da - ein anderer junger Beamter sitzt im Büro, der glücklicherweise englisch spricht. Auch er verlangt das Formular der Policia Federal, das es nicht gibt... aber als Harald ihm deutlich macht, dass der Zollbeamte nur dieses Formular ausstellt und nicht das andere, gibt er sich zufrieden, schreibt mit der Hand einen Vermerk auf die Rückseite des Papiers und gibt seinerseits einen Stempel drauf. Fertig. Endlich sind wir fertig einklariert!!!

 

Und ausklarieren? Dazu braucht es meinen Pass, heißt es, und den hat Harald nicht mit, da uns zuvor erklärt wurde, dass es ihn nicht mehr braucht. Ok, also nochmal hin mit mir...

 

Als wir wieder zur Capitaneria kommen, hat erneut ein anderer Beamter Dienst... der interessiert sich in keinster Weise für meinen Pass... unterfertigt die Ausklarierung und sagt, alles ist ok. Harald besteht darauf, dass er die Passagiere ausstreicht, die nicht mehr an bord sind. (Der erste Beamte wehrte sich dagegen), was dieser ohne mit der Wimper zu zucken auch gleich erledigt und mit Unterschrift und Stempel behördlich gültig macht. Olé!

 

Tja... soviel zu Behörden und Vorschriften in Recife, Brasilien!

Der Trost: es kostet keinen Heller! Was beweist, dass hier kaum Privatboote einklarieren... wir sind also tatsächlich ein Sonderfall für die Beamten... sie für uns aber auch! ;-)